Bei der Gestaltung von Schulunterricht gewinnt selbstgesteuertes Lernen immer mehr an Bedeutung, da es maßgeblich dazu beiträgt, schulische Lehr- und Lernprozesse stärker zu individualisieren und zu flexibilisieren. Selbstgesteuertes Lernen ist ein zielgerichteter Vorgang, bei dem Lernende abhängig von ihren individuellen Kompetenzen objektiv vorhandene didaktische Entscheidungs- und Handlungsspielräume zur Gestaltung ihres Lernprozesses mehr oder weniger intensiv wahrnehmen, beherrschen und nutzen.
Diese Lernform ist u. a. dann besonders effektiv, wenn Schülerinnen und Schüler eher heterogene Voraussetzungen mitbringen, also beispielsweise verschiedene Erstsprachen erlernten oder Deutsch als Zweitsprache unterschiedlich gut sprechen und schreiben. Dazu kommt, dass selbstgesteuertes Lernen maßgeblich dazu beiträgt, die Entscheidungs- und Lernkompetenz von Lernenden zu fördern und sie dadurch zu eigenverantwortlich handelnden und mündigen Teilhabenden unserer Gesellschaft ausbildet.
Für den Erfolg von selbstgesteuerten Lernprozessen ist entscheidend, wie sie didaktisch und methodisch gestaltet werden, was im schulischen Rahmen primär in der Verantwortung der Lehrenden liegt. Insbesondere bei höhergradig selbstgesteuertem Unterricht ist es sehr hilfreich, auch die Lernenden aktiv in die Gestaltung des Unterrichts einzubeziehen. Bestimmte Methoden – wie z. B. Planspiele, Portfolios, Projektarbeiten oder Selbstreflexionen – fördern die Selbststeuerung im Unterricht und können durch digitale Medien effektiv unterstützt werden.
Aus bildungswissenschaftlicher Sicht kann es sich dabei um digitale Bildungsressourcen wie etwa E‑Books oder Lernvideos, die hauptsächlich als Träger von lernrelevanten Informationen dienen, oder digitale Bildungswerkzeuge handeln. Viele Bildungswerkzeuge, wie beispielsweise virtuelle Klassenzimmer, soziale Online-Netzwerke oder Wikis, dienen in erster in erster Linie der Organisation, Zusammenarbeit und Reflexion in Lernprozessen und werden häufig von den Schülerinnen und Schülern selbst mit Inhalten gefüllt.
Je nach Gestaltung und Einsatz können digitale Bildungswerkzeuge Selbststeuerungsmöglichkeiten vor, während und nach dem Unterricht in unterschiedlicher Qualität und Quantität eröffnen. Werkzeuge, die selbstgesteuertes Lernen indirekt fördern, geben den Lernenden beispielsweise eine hohe Kontroll- und Navigationsfreiheit, sie sind modularisiert und methodisch vielfältig gestaltet. Zudem enthalten sie Funktionen für die Reflexion und Evaluation von Lernprozessen sowie für die Kommunikation und Kollaboration zwischen Lernenden oder mit Expertinnen bzw. Experten als Lernquellen. Indem sie die vorhandenen Entscheidungs- und Handlungsmöglichkeiten transparent abbilden und die Lernenden durch geeignete Assistenzfunktionen unterstützen, können digitale Werkzeuge selbstgesteuertes Lernen auch direkt fördern (s. Abbildung).
Dank des permanenten technologischen Fortschritts gibt es immer mehr digitale Lernwerkzeuge, die sich für die Unterstützung von selbstgesteuerten Lernprozessen eignen. Das Netzwerk »kits« stellt einige besonders geeignete Werkzeuge in einer datenschutzkonformen und datensicheren Form kostenfrei online zur Verfügung. Der nachfolgende Abschnitt führt fünf Werkzeuge jeweils mit einer Kurzbeschreibung auf. Für den Einsatz in der Schulpraxis werden zudem Methoden zur Unterstützung von selbstgesteuerten Lernprozessen vorgeschlagen, in die das jeweilige Assistenzwerkzeug ideal eingebunden werden kann. Weiterführende Beschreibungen der Methoden mit Informationen zum Ablauf, den Aufgaben der Lehrenden und geeigneten Rahmenbedingungen (wie z. B. der empfohlenen Gruppengröße und Lernzeit) finden Sie im Online-Methodenkoffer für selbstgesteuertes Lernen.
Wortwolken
- BESCHREIBUNG: WordCharts wandelt Texte automatisiert in Begriffswolken um. Indem es die häufigen Begriffe eines Textes abbildet und hervorhebt, unterstützt es Lernende bei der Erfassung von Textinhalten.
- METHODISCHE HINWEISE: Begriffswolkenwerkzeuge können beispielsweise eingesetzt werden, um Texte zur Beschreibung von Ausgangssituationen und Problemstellungen in Fallstudien, Fallreflexionen, Planspielen, Rollenspielen oder Zukunftswerkstätten schnell und einfach zu erfassen. Selbiges gilt für Materialien in Textform, die zur Bearbeitung von Webquests bereitgestellt werden. Die damit erstellte Visualisierung der am häufigsten enthaltenen Begriffe kann als Grundlage für eine (strukturierte) Aufbereitung dienen.
Brainstormings – mindwendel
- BESCHREIBUNG: Mit mindwendel können Lernende Informationen in Textform sammeln, kategorisieren und ihre Beiträge gegenseitig einschätzen. Das können beispielsweise bereits bekannte oder unverständliche Begriffe aus Lernmaterialien oder auch Ideen sein, die als Grundlage für weitere Aktivitäten dienen.
- METHODISCHE HINWEISE: Brainstormingwerkzeuge eignen sich beispielsweise, um in der Analysephase von Fallreflexionen, der Explorationsphase von Fallstudien oder in Webquests alle wichtigen Informationen zusammenzutragen oder in Projektarbeiten und Zukunftswerkstätten Ideen zu sammeln. Außerdem digitalisieren sie die Themensammlung in Open Spaces und Themenspeichern. Auch die Zusammenstellung von Lernquellenpools ist mit Brainstormingwerkzeugen prinzipiell möglich.
Kollaborativer Texteditor – Etherpad
- BESCHREIBUNG: Der kollaborative Texteditor Etherpad ermöglicht es mehreren Lehrenden und Lernenden, gleichzeitig an Textdokumenten zu arbeiten und dabei auch Bilder hinzuzufügen, ihre Entwürfe (gegenseitig) zu kommentieren und mit anderen zu teilen. Außerdem enthält der Editor ein Chatwerkzeug für den Austausch und eine Versionierungsfunktion.
- METHODISCHE HINWEISE: Kollaborative Texteditoren unterstützen besonders die gemeinsame Erstellung von Produkten in Textform als Teil von Portfolios oder als Ergebnisse von Projektarbeiten und Zukunftswerkstätten. Außerdem eignen sie sich zur kollaborativen Sammlung bzw. Dokumentation von Informationen für Fallstudien, Fallreflexionen und Webquests. In Peer-Reviews vereinfachen sie neben der Erstellung von Produkten auch den Feedbackprozess.
Mindmaps – TeamMapper
- BESCHREIBUNG: Mit dem TeamMapper können Lehrende und Lernende Text- und Bildinformationen in Netzwerken aus Knoten und Verzweigungen strukturiert organisieren. Durch die Abbildung in Maps werden (auch komplexe) Inhalte und ihre (inneren) Zusammenhänge schnell und einfach erfassbar gemacht.
- METHODISCHE HINWEISE: Ähnlich wie Brainstormingwerkzeuge und kollaborative Texteditoren sind Mindmappingwerkzeuge besonders in den Phasen von Methoden wie Fallreflexionen, Fallstudien, Projektarbeiten, Rollenspielen und Zukunftswerkstätten, die der Sammlung und Abbildung von Informationen, Ideen bzw. Ergebnissen dienen, hilfreich. Sie erleichtern zudem die strukturierte Themensammlung in Open Spaces und Themenspeichern.
Virtuelles Whiteboard – Excalidraw
- BESCHREIBUNG: Mit Excalidraw bilden Lehrende und Lernende allein oder kollaborativ Informationen in Form von Texten und Bildern auf einer praktisch unbegrenzten weißen »Tafelfläche« ab. Auf diese Weise werden Inhalte für anschließende Lernaktivitäten bereitgestellt oder laufende Arbeitsprozesse visualisiert.
- METHODISCHE HINWEISE: Auf virtuellen Whiteboards können Darstellungen von grundlegenden Informationen wie Ausgangssituationen und Problemstellungen für Fallstudien, Fallreflexionen, Planspiele, Rollenspiele, Webquests oder Zukunftswerkstätten nicht nur anschaulich erfolgen, sondern auch sofort für die weitere Bearbeitung genutzt sowie ergänzt und weiterentwickelt werden. Außerdem können für Portfolios oder in Projektarbeiten Produkte – wie etwa Broschüren oder Poster – gestaltet werden, die über die reine (bebilderte) Textform hinausgehen.
Neben dem hohen Datenschutz und der Datensicherheit liegt ein besonderer Vorteil der kitsTools darin, dass sie ohne vorige Anmeldung direkt im Webbrowser genutzt werden können und sehr einfach zu bedienen sind. Dadurch bieten sie Lehrenden an Schulen bzw. in allen Bildungsbereichen eine optimale Unterstützung bei der Ermöglichung und Begleitung von selbstgesteuerten Lernprozessen.
Literaturhinweise
- Dyrna, J., & Günther, F. (2021). Methoden, Medien oder Werkzeuge? Eine technologische Klassifizierung von digitalen Bildungsmedien. In H.-W. Wollersheim, M. Karapanos, & N. Pengel (Hrsg.), Bildung in der digitalen Transformation (S. 19–30). Waxmann.
- Dyrna, J., Riedel, J., Schulze-Achatz, S., & Köhler, T. (2021). Selbstgesteuertes Lernen in der beruflichen Weiterbildung: Ein Handbuch für Theorie und Praxis. Waxmann.