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Sprach­sen­si­bler oder sprach­be­wusster (Fach-)Unterricht soll allen Ler­nenden den Weg zur Bil­dungs­sprache eröffnen. Dabei wird oft­mals der allei­nige Fokus auf Deutsch als Ziel­sprache gelegt und andere sprach­liche Res­sourcen der Ler­nenden ver­nach­läs­sigt.

Bekannte Tech­niken des sprach­be­wussten Unter­richts wie das Scaf­fol­ding lassen sich aber durchaus so umsetzen, dass auch andere Spra­chen ein­be­zogen werden. Dieser Bei­trag möchte des­halb unter Rück­griff auf Ideen des »Trans­lan­guaging« (Gan­te­fort, 2020) zeigen, wie auf dem Weg zu einem bil­dungs­sprach­li­chen Pro­dukt meh­rere Spra­chen berück­sich­tigt werden können. Bredt­hauer et al. (2021) nennen das einen »sprachensen­si­blen« Unter­richt.

Grund­an­nahme für die fol­genden Unter­richts­vor­schläge ist, dass ein bil­dungs­sprach­li­ches Pro­dukt zu einem bestimmten Fach­be­reich ent­stehen soll, im Ide­al­fall ein Text, der die wich­tigsten Wis­sens­in­halte zu einem bestimmten Lern­ge­gen­stand zusam­men­fasst. Die hier skiz­zierten Unter­richts­vor­schläge lassen sich fle­xibel ein­setzen: Die prä­sen­tierte Kom­bi­na­tion kann beliebig ver­än­dert oder erwei­tert werden. Da wir mög­lichst viele sprach­liche Res­sourcen der Ler­nenden nutzen wollen, beginnen wir mit einer mehr­spra­chigen Wort­samm­lung in Form einer Mindmap. Hierfür ist Team­Mapper ideal geeignet. Es kann indi­vi­duell oder in Gruppen gear­beitet werden. Vor­ge­geben wird nur das Wort in der Mitte der Mindmap, z. B. »Baum«. Wichtig ist, dass die Ler­nenden wissen, dass sie hier alle Wörter ein­tragen können, die ihnen ein­fallen, auch Dia­lekt- und sons­tige Non­stan­dard-Wörter ohne Rück­sicht auf kor­rekte Ortho­grafie. Es kann ver­ein­bart werden, dass bedeu­tungs­gleiche Wörter in ein Feld geschrieben werden, so dass das erste Feld bei einem »ein­spra­chigen« Kind in Öster­reich etwa so aus­sehen könnte: »Baum – Baam – tree«, bei einem Kind mit unga­ri­scher Erst- bzw. Fami­li­en­sprache z. B. so. Die Vor­schläge der ein­zelnen Ler­nenden oder Gruppen können dann gesam­melt werden, um eine mehr­spra­chige Klassen-Mindmap zu erstellen.

Die nächste Phase dient der inhalt­li­chen Sys­te­ma­ti­sie­rung und der stär­keren sprach­li­chen Ori­en­tie­rung hin auf das Ziel. Es wird ein beschrif­tetes Bild vom Unter­richts­ge­gen­stand erar­beitet, wobei die Wörter aus der Mindmap ver­wendet werden können. Hierbei können wir gut mit dem Tool Exca­lidraw arbeiten. Das zu beschrif­tende Bild kann mit Pic­to­Se­arch oder einer anderen Bil­der­suche von den Ler­nenden selbst gesucht oder in Exca­lidraw schon von der Lehr­kraft vor­ge­geben werden. Auch diese Phase kann wieder in Einzel- oder Grup­pen­ar­beit statt­finden.

Da wir auf keinen Fall bei den bloßen Benen­nungen ste­hen­bleiben wollen, ist die nächste Phase die Erstel­lung von Sätzen, z. B. Defi­ni­tionen wie »Ein Baum ist ein Holz­ge­wächs mit festem Stamm«. Hier eignet sich das Tool mind­wendel oder aber der Etherpad dazu, Vor­schläge zu sam­meln und nach und nach zu ver­fei­nern, indem sprach­liche Abwei­chungen berich­tigt und all­tags­sprach­liche durch bil­dungs­sprach­liche For­mu­lie­rungen ersetzt werden. Um Mehr­spra­chig­keit auch auf der Satz­ebene zu berück­sich­tigen, wäre es denkbar, dass jede oder jeder Ler­nende (bzw. jede Gruppe) min­des­tens einen Satz in einer zweiten Sprache neben Deutsch for­mu­lieren muss.

Sinn­voll wäre dann auch ein Wechsel zum münd­li­chen Sprach­ge­brauch, etwa indem die gesam­melten und bear­bei­teten Sätze von den Ler­nenden ein­ge­spro­chen werden. Das kann auf einem lokalen Spei­cher­me­dium geschehen, sehr prak­tisch ist aber auch, QRSto­rage dafür zu benutzen, der für jede Auf­nahme einen QR-Code gene­riert. Bevor die Ler­nenden selbst einen Text ver­fassen, sollten sie sich nach Mög­lich­keit rezeptiv mit einem authen­ti­schen Fach­text aus­ein­an­der­setzen, zu dem bei Bedarf Hilfen (z. B. Wort­er­klä­rungen, Par­al­lel­texte) ange­boten werden. Hier kann wieder QRSto­rage zum Ein­satz kommen, diesmal auf Seiten der Lehr­kraft.

Beim Ver­fassen des Textes ist eine kol­la­bo­ra­tive Arbeits­weise ein guter Zugang. Diese kann mit dem Etherpad orga­ni­siert werden, wobei die Lehr­kraft auf dem Etherpad auch schon ein Text­ge­rüst bzw. Bau­steine zur Ver­fü­gung stellen kann – unter Umständen in meh­reren Pads mit ver­schie­denen Schwie­rig­keits­graden. Um den Mehr­spra­chig­keits­ge­danken auch in dieser Phase wei­ter­zu­ver­folgen, sollten die Ler­nenden (unab­hängig von ihrer Erst- oder Fami­li­en­sprache) ermun­tert werden, Teile des Textes oder eine Zusam­men­fas­sung auch in einer anderen Sprache als Deutsch zu ver­fassen.

 

Lite­ratur

Bredt­hauer, S., Kaleta, M., & Triulzi, M. (2021). Mehr­spra­chige Unter­richts­ele­mente. Mer­cator-Institut für Sprach­för­de­rung und Deutsch als Zweit­sprache (Basis­wissen sprach­liche Bil­dung).

Gan­te­fort, C. (2020). Nut­zung von Mehr­spra­chig­keit in jedem Unter­richt: Das Bei­spiel »Trans­lan­guaging«. In I. Gogolin, A. Hansen, S. McMo­nagle, & D. Rauch (Hrsg.), Hand­buch Mehr­spra­chig­keit und Bil­dung (S. 201–206). Springer Fach­me­dien Wies­baden.

Klaus-Börge Boeckmann ist Hoch­schul­professor für Mehr­sprachig­keit und Deutsch als Zweit­sprache an der Pädago­gischen Hoch­schule Steier­mark in Graz (Öster­reich). Seine Arbeits­bereiche umfassen Zweit­sprachen­didaktik, Sprachen- und Kultur­bewusst­heit sowie Lehrenden­bildung in der Migrations­gesell­schaft. Er interessiert sich besonders für innovative Zugänge zum Sprachen­lehren und -lernen sowie für Sprache in allen Fächern und ist bemüht, Studieren­den und Lehr­personen einen offenen und experi­mentier­freudigen Zugang zum Lernen zu er­öffnen.

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