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Ler­nende müssen sich beim Lesen von Sach­texten unbe­kannte Fach­be­griffe häufig selbst­ständig erschließen. Oft über­lesen sie diese ein­fach, was den Zugang zum Text erheb­lich erschweren kann.

Das sinn­ent­neh­mende Lesen ist dar­über hinaus durch ver­schie­dene Fak­toren erschwert:

  1. Nicht immer sind aus­rei­chend Infor­ma­tionen in zu lesenden Texten ver­fügbar, über die ein unbe­kanntes Wort erschlossen werden kann;
  2. die Bedeu­tung von Fach­be­griffen kann von Fach zu Fach unter­schied­lich sein;
  3. Fach­be­griffe sind auf­grund ihres Auf­tre­tens in bil­dungs­sprach­li­chen Kon­texten häufig in weniger geläu­fige gram­ma­ti­ka­li­sche Struk­turen oder kom­plexe Satz­ge­füge ein­ge­bettet, und
  4. ist (bil­dungs­sprach­li­cher) Wort­schatz selbst durch mor­pho­lo­gi­sche Kom­ple­xität und Abs­trakt­heit geprägt und hat häufig eine andere Bedeu­tung als in der All­tags­sprache (vgl. Mich­alak, Lemke & Goeke 2015).

Es sind also sowohl die Fach­be­griffe selbst, die eine Hürde dar­stellen, als auch die sprach­liche Umge­bung, in die sie ein­ge­bettet sind. Für Ler­nende, denen sprach­liche Fähig­keiten noch fehlen, stellen diese Fak­toren eine beson­dere Her­aus­for­de­rung dar, sodass sie den ihnen gestellten Lese- und ggf. damit ver­bun­denen Schreib­auf­trag nicht bewäl­tigen können. In Deutsch­land trifft dies beson­ders auf Kinder und Jugend­liche zu, die aus Fami­lien mit geringem Zugang zu Bil­dung kommen oder die erst im schul­pflich­tigen Alter beginnen, Deutsch zu lernen (vgl. Woerfel & Giesau 2018). Eine visu­elle Her­vor­he­bung neuer oder schwie­riger Begriffe, wie man sie in Schul­bü­chern vor­findet, reicht hier aller­dings nicht aus, sodass Lehr­kräfte die von ihnen ein­ge­setzten Mate­ria­lien zusätz­lich dif­fe­ren­zieren müssen. Hier sind sprach­liche Hilfen wie Wort­er­klä­rungen, aber auch Rück­fragen und Auf­gaben, in denen zen­trale Begriffe und Kon­zepte erst einmal defi­niert werden (z. B. in Mind­maps oder Schau­bil­dern), ziel­füh­rend. In diesem Bei­trag möchten wir Mög­lich­keiten vor­stellen, das Tool QRSto­rage von »kits« als sprach­liche Hilfen zu nutzen, um Ler­nenden den Zugang zu Fach­texten und unbe­kannten Fach­be­griffen zu ermög­li­chen.

Einen Lese­text in der Ober­stufe sprach­sen­sibel gestalten

Den Prin­zi­pien des sprach­sen­si­blen Unter­richts fol­gend stellt die Wort­schatz­ent­las­tung eine Mög­lich­keit dar, Ler­nenden den Zugang zu unbe­kannten Fach­be­griffen durch sprach­liche Hilfen zu schaffen. Hierfür muss die Lehr­kraft zunächst unbe­kannte Fach­be­griffe oder bil­dungs­sprach­lich kom­plexe Wörter und deren Kon­text in bereit­ge­stellten Lese­texten iden­ti­fi­zieren und anschlie­ßend eine sprach­liche Hilfe hierfür ent­werfen und/oder bereit­stellen. Dies gilt im Übrigen nicht nur für die Primar- oder frühe Sekun­dar­stufe, son­dern auch für die Sekun­dar­stufe II. Sowohl in der For­schung zur sprach­li­chen Bil­dung als auch in der Unter­richts­praxis wird diese Ziel­gruppe bisher wenig beachtet, da in der Sekun­dar­stufe II bil­dungs- und fach­sprach­liche Kom­pe­tenzen oft als selbst­ver­ständ­lich vor­aus­ge­setzt werden, obwohl die Ler­nenden hier häufig mit neuen und gleichsam kom­plexen Begriffen sowie fach­sprach­li­chen Beson­der­heiten kon­fron­tiert werden. Zur Ver­an­schau­li­chung unserer Aus­füh­rungen haben wir daher einen authen­ti­schen Text aus der Ober­stufe gewählt, der auf­grund seiner hohen Anzahl an Fach­be­griffen und kom­plexen Satz­struk­turen (vgl. Bauer et al. 2016) reprä­sen­tativ für viele kom­plexe Fach­texte in der Ober­stufe ist. Der gewählte Text stammt aus dem Fach Sozi­al­wis­sen­schaften zum Thema Sozi­al­po­litik und wurde gekürzt einem aktu­ellen Lehr­werk ent­nommen.

1. Sprach­liche Anfor­de­rungen ermit­teln und auf­be­reiten
Um sprach­liche Hilfen gezielt bereit­zu­stellen, iden­ti­fi­zieren wir zunächst die zen­tralen und neuen Fach­be­griffe im Text, dazu gehören z. B. Kom­po­sita wie »Bei­trags­be­mes­sungs­grenze«, Adjek­tive wie »prekär«, Nomi­na­li­sie­rungen wie »sozial Schwache« oder Begriffe, die typisch für das Fach Sozi­al­wis­sen­schaften (und z. B. latei­ni­schen Ursprungs) sind, wie »Äqui­va­lenz­prinzip«.

Für die Ent­las­tung des zu lesenden Texts haben wir ver­schie­dene Wege vor­ge­sehen:

  • Ers­tens haben wir ein Glossar für die aus­ge­wählte Begriffe ange­legt und die Begriffe knapp und ver­ständ­lich para­phra­siert.
  • Für die Kon­struk­tion »sozial Schwache«, die wir zum einen auf­grund der Zusam­men­set­zung als beson­ders schwierig ein­schätzen und die zum anderen in ihrer wer­tenden For­mu­lie­rung reflek­tiert werden sollte, haben wir zwei­tens eine zusätz­liche Dif­fe­ren­zie­rung for­mu­liert. Diese ent­hält neben sprach­sen­si­bi­li­sie­renden Hin­weisen auch alter­na­tive For­mu­lie­rungs­mög­lich­keiten.
  • Drit­tens haben wir zusätz­liche Hin­ter­grund­in­for­ma­tionen in Form von Videos und Inter­net­texten für bestimmte Wörter recher­chiert, z. B. »Sozi­al­staats­gebot« oder »Umla­ge­ver­fahren«, die unseres Erach­tens eine umfang­rei­chere Erläu­te­rung erfor­dern als eine ein­fache Wort­er­klä­rung.
  • Und vier­tens möchten wir den Ler­nenden bei Bedarf die Mög­lich­keit bieten, sich den Text vor­lesen zu lassen.

2. Sprach­liche Hilfen über QR-Sto­rage bereit­stellen
Das Tool QRSto­rage von »kits« bietet für alle oben genannten Wege der Text­ent­las­tung die Mög­lich­keit, ohne Anmel­dung QR-Codes zu gene­rieren, die ent­weder für einen kurzen Zeit­raum oder dau­er­haft (sofern genutzt) gespei­chert werden können. So bietet das Tool die Mög­lich­keit, auf mul­ti­me­diale Inhalte zu ver­linken oder dif­fe­ren­zie­rende Texte bis zu 4000 Zei­chen über einen QR-Code bereit­zu­stellen. Zusätz­lich ver­fügt das Tool über eine inte­grierte Vor­lese-Funk­tion in aktuell zwölf Spra­chen, sodass sich Ler­nende den über den gene­rierten QR-Code bereit­ge­stellten Text anhören können. Des Wei­teren können auch selbst Texte ein­ge­spro­chen werden.

Das Glossar und die zusätz­li­chen Wort­er­klä­rungen werden über die Text­ein­gabe erstellt und gesam­melt bereit­ge­stellt. Hier haben wir außerdem die Mög­lich­keit, unsere Quellen mit einem Link zu hin­ter­legen und somit trans­pa­rent und anklickbar zu machen:

Die wei­ter­füh­renden Infor­ma­tionen erstellen wir über die Link­funk­tion von QRSto­rage, die zu den hin­ter­legten Videos und Inter­net­texten führen, sobald man den QR-Code ein­scannt.

Zusätz­lich haben wir über die Audio­funk­tion einen Teil des zu lesenden Texts ein­ge­geben, den sich Ler­nende über die Sprach­aus­gabe nun vor­lesen lassen können, was zur Ent­las­tung des Lese­pro­zesses bei­trägt.

Die über QRSto­rage gene­rierten QR-Codes zu den sprach­li­chen und kon­tex­tu­ellen Hilfen haben wir nun neben dem zu lesenden Text plat­ziert, sodass Ler­nende auf diese schnell je nach Bedarf mit einem mobilen End­gerät zugreifen können. Zur bes­seren Zuord­nung der bereit­ge­stellten Ent­las­tungen haben wir die ein­zelnen Begriffe im Text farb­lich mar­kiert und die QR-Codes, mit denen sich Ler­nende zusätz­liche Hilfen holen können, in der­selben Farbe ein­ge­bettet. Das Arbeits­blatt kann hier voll­ständig ange­sehen werden.

Didak­ti­sche Hin­weise

Die Erfah­rung aus dem Unter­richt zeigt, dass Schü­le­rinnen und Schüler gerne von den zusätz­li­chen Hilfen Gebrauch machen. Zuweilen müssen die Ler­nenden auf die Nut­zung der Hilfen hin­ge­wiesen werden. Zu beachten ist, dass der Gebrauch der Hilfen in der Lese­phase mehr Zeit in Anspruch nehmen kann, was in der Pla­nung berück­sich­tigt werden sollte. Den­noch bietet man so den Schüler*innen die Mög­lich­keit, den Text selbst­tätig zu erschließen. Zudem wird ver­mieden, die Begriffe erst in der Siche­rungs­phase aus­führ­lich zu (er)klären, was hier im Zweifel mehr Zeit kosten und Ver­ständ­nis­ein­bußen bewirken kann, da der Sinn des Textes von einigen Ler­nenden erst nach der Erklä­rung in seiner Voll­stän­dig­keit erschlossen werden kann.

 

Lite­ratur

  • Bauer, Max; Becker, Helmut; Benz­mann, Ste­phan; Brügel, Peter; Kai­litz, Steffen; Kai­litz, Susanne; Riedel, Hartwig; Tessmar, Karsten; Tschirner, Mar­tina; Hamm-Rei­nöhl, Andreas & Podes, Ste­phan (Hrsg., 2016). Buch­ners Kom­pen­dium Politik: Politik und Wirt­schaft für die Ober­stufe. Schü­ler­band. Bam­berg: C.C. Buchner.
  • Mich­alak, Mag­da­lena; Lemke, Valerie & Goeke, Marius (2015). Sprache im Fach­un­ter­richt. Tübingen: Narr.
  • Woerfel, Till & Giesau, Mar­lies (2018). Sprach­sen­si­bler Unter­richt. Mer­cator Institut für Sprach­för­de­rung und Deutsch als Zweit­sprache (Basis­wissen sprach­liche Bil­dung). Hier ver­fügbar.

Ilka Huesmann ist Studien­rätin an einer Gesamt­schule in Nordrhein-West­falen und unter­richtet die Fächer Deutsch, DaZ und Sozial­wissen­schaften/WiPo. Bis 2022 war sie wissen­schaft­liche Mit­arbeiterin am Mercator-Institut für Sprach­förderung und Deutsch als Zweit­sprache der Uni­versi­tät zu Köln. Dort beschäf­tigte sie sich schwer­punkt­mäßig mit dem Ein­satz digi­taler Medien im sprach­sensiblen Fach­unter­richt.

Dr. Till Woerfel ist wissen­schaft­licher Mita­rbeiter am Mercator-Institut für Sprach­förderung und Deutsch als Zweit­sprache in der Abteilung Sprache und Bildungs­system. Er forscht, lehrt und betreibt Wissen­schafts­kommuni­kation zu Mehr­sprachig­keit, Sprach­kontakt, sprach­licher Bildung und zu digi­talen Techno­logien im sprach­lernf­örder­lichen Unter­richt.

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