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Wenn Erwach­sene heute ein Lexikon benutzen, ist es meis­tens die Wiki­pedia. Das freie Online-Lexikon gibt es jetzt schon seit unge­fähr 24 Jahren. Viele gedruckte Werke wie der Brock­haus werden mitt­ler­weile nicht mehr ange­boten.

Das liegt viel­leicht daran, dass Ände­rungen online viel schneller und ein­fa­cher vor­ge­nommen werden können als in einem Buch. Wäh­rend in einem gedruckten Lexikon aus dem Jahr 2020 immer noch »Angela Merkel ist Bun­des­kanz­lerin« steht, ist das in der Wiki­pedia längst und inner­halb von Sekunden gegen ein »war« im Satz aus­ge­tauscht worden.

Ähn­lich sieht es beim Kle­xikon aus, der deutsch­spra­chigen Wiki­pedia für Kinder. Das Kle­xikon ist vor zehn Jahren auf Grund­lage eines von Wiki­media Deutsch­land beauf­tragten Kon­zepts für eine »freie Online-Enzy­klo­pädie für Kinder« ent­standen. So schwie­rige Wörter wie »Enzy­klo­pädie« tau­chen im Kle­xikon erst gar nicht auf, statt­dessen werden andere und kind­ge­rechte Wörter benutzt. Da dem Kle­xikon-Team schnell klar war, dass auch das Kle­xikon für bestimmte Gruppen unter den 5- bis 15-Jäh­rigen zu kom­pli­ziert ist, wurde 2018 ein Ableger gegründet: das MiniK­le­xikon. Dank einer För­de­rung durch die Beauf­tragte der Bun­des­re­gie­rung für Kultur und Medien konnte MiniK­le­xikon als Kle­xikon in beson­ders ein­fa­cher Sprache bis Ende 2018 auf­ge­baut werden. Heute umfasst das Angebot rund 1.500 Artikel zu den belieb­testen und wich­tigsten Kle­xikon-Themen.

Aber warum ist über­haupt ein noch ein­fa­cheres Online-Lexikon für Kinder not­wendig? Aus Sicht von Kle­xikon-Team und vielen befragten Lehr­kräften im Grund­schul­be­reich kann das MiniK­le­xikon ins­be­son­dere ein geeig­neter Ein­stieg für Lese­an­fänger und sogar für Kinder bis zur dritten Klasse sein. Hinzu kommen Deutsch­ler­nende und Kinder, die einen beson­deren För­der­be­darf haben.

Alle Texte im MiniK­le­xikon basieren auf dem bereits vor­han­denen Artikel zum selben Thema im Kle­xikon. Es geht nicht nur um eine Kür­zung der Kle­xikon-Ver­sion auf eine Länge von maximal 20 bis 30 Sätzen. Bei der Über­tra­gung wird auch weit­ge­hend auf Fremd­wörter ver­zichtet, Neben­sätze sind sehr selten. Meist han­delt es sich um kurze und mög­lichst ein­fach for­mu­lierte Sätze. Jede Zeile beginnt mit einem neuen Satz. Lange oder zusam­men­ge­setzte Wörter werden oft mit einem Strich getrennt, damit sie besser lesbar sind.

Zum Team im MiniK­le­xikon gehören Autorinnen und Autoren, die bereits mit der Arbeit im Kle­xikon ver­traut sind und in der Regel auch dort aktiv sind. Alle Mit­wir­kende haben gemeinsam, dass sie sich frei­willig enga­gieren, oft neben ihren Berufen in Schule, Jour­na­lismus und Wis­sen­schaft. Die Betei­li­gung von jungen Men­schen aus der Ziel­gruppe ist aber auch bei diesem Kle­xikon-Ableger wichtig.

Kle­xikon-Gründer Michael Schulte bei einem der Work­shops in Schulen (Foto: Michael Jäkel)Beeindruckende Bei­spiele sind zwei dritte Klassen aus Del­men­horst, die sich in meh­reren Work­shops im November und Dezember 2024 mit dem MiniK­le­xikon aus­ein­an­der­ge­setzt haben. Ziel war zum einen die selb­stän­dige Online-Recherche für Grund­schü­le­rinnen und ‑schüler, aber zum anderen auch ein gemeinsam ver­fasster Artikel fürs MiniK­le­xikon. Im Aus­tausch mit den betreu­enden Lehr­kräften konnte zudem über Ver­bes­se­rungen im MiniK­le­xikon gespro­chen werden. So könnte die Schriftart stärker die Beson­der­heiten der Grund­schrift berück­sich­tigen, was zum Bei­spiel die Schreib­weise der Buch­staben a und l angeht. Ein Button zum Vor­lesen könnte hilf­reich sein, ebenso wie die Fär­bung von Silben, wie das bereits in vielen Büchern für Lese­an­fänger der Fall ist.

Als Themen für einen eigenen Artikel hatten sich die Dritt­klässler das Nage­tier Sie­ben­schläfer und Moos-Pflanzen vor­ge­nommen. Für beide Themen stand den Schü­le­rinnen und Schü­lern ein Kle­xikon-Artikel mit einem län­geren Text und mit Fotos als Aus­gangs­ma­te­rial zur Ver­fü­gung. Da die Inhalte in den Kle­xikon-Pro­jekten unter einer freien Lizenz stehen (CC BY-SA 4.0) und die Fotos meist mit einer ähn­li­chen Lizenz genutzt werden können, war die Über­tra­gung der Kle­xikon-Artikel Sie­ben­schläfer und Moose ins MiniK­le­xikon eine Sache von weniger als einer Minute.

Nun mussten die beiden dritten Klassen die Her­aus­for­de­rung bewäl­tigen, alle Infor­ma­tionen im Kle­xikon-Artikel her­aus­zu­fil­tern, die auch im MiniK­le­xikon stehen sollten. Gleich­zeitig mussten sie ent­scheiden, welche Sätze und Aspekte aus dem Kle­xikon-Artikel ihnen nicht so wichtig erscheinen und eher gestri­chen werden können. Dafür wurden Klein­gruppen mit zwei oder drei Kin­dern gebildet, die sich jeweils mit einem Abschnitt des umfang­rei­cheren Kle­xikon-Arti­kels beschäf­tigten. Auf diese Weise mussten nicht alle den ganzen Text durch­ar­beiten, son­dern die Klein­gruppen konnten sich auf einige Sätze kon­zen­trieren und sich umso inten­siver damit befassen.

In der großen Runde wurde dann nach und nach zusam­men­ge­tragen, was die ver­schie­denen Klein­gruppen her­aus­ge­ar­beitet hatten. Gemeinsam wurde dar­über dis­ku­tiert, ob sich noch etwas ein­fa­cher oder besser für die MiniK­le­xikon-Ziel­gruppe for­mu­lieren lässt und ob die Rei­hen­folge der Sätze geän­dert werden muss. Dabei kamen Sätze und Abschnitte heraus, die natür­lich auch auf jeden Fall alle an diesen Work­shops betei­ligten Kinder lesen und inhalt­lich ver­stehen sollten. Schließ­lich bewegen sich Kinder in diesem Alter oft noch zwi­schen den Ange­boten MiniK­le­xikon und Kle­xikon.

Doch damit Kinder tat­säch­lich schnell hin- und her­wech­seln können, gibt es eine gegen­sei­tige Ver­lin­kung von Arti­keln in Kle­xikon und MiniK­le­xikon. So haben Kinder die Mög­lich­keit, bei jedem Thema den Schwie­rig­keits­grad und den Umfang des Arti­kels zu erhöhen oder zu redu­zieren. Das sind im Moment nur zwei Schwie­rig­keits­stufen – aber dop­pelt so viele wie in der Wiki­pedia, in der es nur einen Artikel für alle Ziel­gruppen und Bedürf­nisse gibt.

Am Ende der Work­shops in den dritten Klassen sind zwei Artikel ent­standen, aus denen sich wieder einmal viele Erkennt­nisse für die erwach­senen Autorinnen und Autoren im MiniK­le­xikon ableiten lassen: Welche For­mu­lie­rungen emp­finden jün­gere Kinder als ver­ständ­lich, die erst seit ein, zwei Jahren lesen können? Welche Infor­ma­tionen aus dem Kle­xikon »schaffen« es auch ins MiniK­le­xikon? Aber auch: Wel­ches Foto aus dem Kle­xikon-Artikel ist am besten für eine Kle­xikon-Ableger in beson­ders ein­fa­cher Sprache geeignet?

Die Betei­li­gung von Kin­dern ist in den Kle­xikon-Ange­boten immer auch mit dem Wunsch ver­bunden, die Inhalte zu erwei­tern und besser zu machen sowie die Sicht­weise von Kin­dern in die Wei­ter­ent­wick­lung des Pro­jekts ein­fließen zu lassen. Für die Kinder bleibt im Anschluss die Gewiss­heit, gemeinsam mit 15 bis 25 anderen Schüler:innen einen neuen Artikel erstellt zu haben, den ab sofort alle Kinder im deutsch­spra­chigen Raum finden und lesen können. Darauf können sie wirk­lich stolz sein!

Der Jour­nalist Michael Schulte hat das Klexi­kon zusam­men mit dem Histo­riker Ziko van Dijk gegrün­det. Eine Wiki­pedia für Kinder hatte ein­fach noch ge­fehlt. Seit vielen Jahren arbeitet Michael Schulte als Redak­teur und Autor fürs Radio, zum Bei­spiel für die Deutsch­land­funk-Kinder­sendung Kakadu. Gegrün­det hat er neben dem Klexi­kon auch die kosten­lose Hör­platt­form Ohrka mit zahl­reichen Hör­spielen und Pod­casts für Kinder und Familien.